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Ein Besuch im Sylter Archiv

Was heute passiert, ist morgen schon Geschichte

Foto: Sylt Connected Evelyn Kraßmann leitet seit September 2020 das Archiv der Insel Sylt.

Westerland. 900 Regalmeter Papier, Zeitungen, Verwaltungsakten, Bilder. Ist das Horten von Büchern, Zeitungsartikeln oder anderen Schriften wirklich noch zeitgemäß? Wozu braucht man im digitalen Zeitalter noch Archive oder Büchereien, wenn ganze Bibliotheken auf einen Speicherstick passen?
Die Suche nach einem Stück Sylter Geschichte führt fast unweigerlich ins Archiv der Insel, das in der Alten Post aufbewahrt und verwaltet wird. – Wobei das Sylter Archiv selbst eine bewegte Geschichte hat … Man schrieb das Jahr 1947. Das Westerländer Stadtarchiv und das Keitumer Archiv wurden zu einem Sylter Archiv zusammengelegt und zwar im Rathaus der Stadt.

Was drei Jahre später passierte, hat bis heute tragische Folgen: Der Dachstuhl des Rathauses geriet in Brand. Das Archiv hatte seine Räume im obersten Geschoss – und wurde vollkommen zerstört. Fast 90 Prozent des historischen Bestandes gingen in Flammen auf. „Was da an historischen Schätzen unwiederbringlich verloren ging, können wir heute nicht mehr sagen“, erklärt Evelyn Kraßmann, die seit September 2020 Leiterin des Archivs ist. So ist das Gedächtnis der Insel bis heute lückenhaft und wird es wahrscheinlich immer bleiben. Vor allem der Verlust eines Teils der alten Akten der Landvogtei Sylt aus dem 17. und 18. Jahrhundert wiegt schwer.

Lücken schließen so gut es geht

Sucht man altes Schriftgut zu einem bestimmten Thema, dann helfen Evelyn Kraßmann und ihre Kolleginnen weiter.

‚In den Regalen lagern unter anderem Akten der Verwaltung, archivische Sammlungen und Nachlässe; dazu gibt es ein Bilderarchiv und eine Kunstsammlung. Auch Gastgeberverzeichnisse, Prospekte und verschiedene Zeitungen sind im Archiv eingelagert.
Da wird sich doch auch zu meinem Thema etwas finden lassen? Die Leiterin des Archivs überreichte mir Mappen mit gesammeltem Material. An den Unterlagen ist zu sehen, dass es sich um Kopien von durch den Brand beschädigten Originalen handelt. Die verbrannten Papierränder sind klar zu erkennen. Das meiste Material in dieser Sammlung besteht aus sekundären Quellen wie beispielsweise Zeitungen. „Wir versuchen mithilfe von Ersatzüberlieferung, die Lücken zu schließen“, erklärt Kraßmann.

Alte Akten, die in alten Pappheftern vergilben? Wozu braucht die Gesellschaft Archive? Das meiste Schriftgut, das Verwaltungen in Kommunen oder den Ländern sowie dem Bund produziert wird, ist sicher nicht für die Nachwelt bestimmt und kann irgendwann in den Schredder. Aber wann? Und was muss dauerhaft aufbewahrt werden, damit sich in Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten ein Bild der Zeit zeichnen lässt, in der wir heute leben?

Archive sind Speicher des kollektiven Gedächtnisses

„Was heute passiert ist morgen schon Geschichte“. Archive sind Speicher des kollektiven Gedächtnisses und nur durch sie haben nachfolgenden Generationen die Möglichkeit, die Lebenswirklichkeit vergangener Zeiten zu erforschen.

Was oft vergessen wird: sie ermöglichen Rechtssicherheit. „Die Überlieferung ermöglicht die Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln. Außerdem können wir auch später noch rechtlich wichtige Dokumente überprüfen.“ Die archivierten Dokumente sind Unikate, sie sind als Kulturgut unersetzlich.

Doch um diese Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können, braucht es auch passende Räume. „Wir haben hier zum Beispiel nicht die optimalen Bedingungen, um die Archivalien zu lagern. Viele der durch den Brand beschädigten Akten müssten restauriert und gereinigt werden – das kostet viel Zeit und Geld“, sagt Kraßmann. Diskussionen um einen Neubau des Archives gibt es schon länger: Laut eines Gutachtens von Prof. Dr. Dr. Rainer Hering, Leiter des Landesarchivs Schleswig- Holstein, mache nur ein Neubau Sinn, mit verschiedenen Räumen für unterschiedliche Materialien. Nach zwei Stunden Aktenkunde habe ich hilfreiche Informationen gewonnen, die hoffentlich für einen nächsten Artikel reichen. Am Ende fällt mir ein Spruch aus dem Studium wieder ein: „Du willst wissen, wie es war? – Frag‘ den Archivar.“


Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 14.07.2022
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