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Die Arbeit der Sylter Tafel kurz vor Weihnachten

Von der positiven Energie

Foto: Heiko Wiegand Uschi Wagner und Elke Andersen

Westerland. Es gibt diese Orte, in denen die positive Energie zu Hause ist. Die gute Laune und die Zuversicht. „Hier ist so viel Freude im Haus!“ Dörte Lindner-Schmidt sitzt an diesem Dienstagmorgen in dem kleinen Zimmer hinter den Tischen, an denen Ehrenamtler der Sylter Tafel die Lebensmittel anrichten, die sie zuvor aus Sylter Supermärkten abgeholt haben. Die Vorsitzende des Vereins Sylter Tafel erzählt von Spendern, die in dem Haus am Geschwister-Scholl-Weg ankommen und Lebensmittel abgeben. „Sylter, die Marmelade gekocht haben, geben hier ihre Gläser ab, um den Ärmeren etwas Gutes zu tun.“

Gegen 9 Uhr stehen Helfer der Sylter Tafel an den Tischen und holen alle Sorten Gemüse und Obst aus den Boxen, legen sie bereit für die Gäste, die eine Stunde später anstehen werden für die Lebensmittel. Rund 80 sind es aktuell jeden Dienstag. Unter die Sylter Bedürftigen mischen sich viele Menschen aus der Ukraine, auch Obdachlose sind dabei. Und im Sommer waren auch zwei Punks mit von der Partie. „Die haben vorher freundlich gefragt.“
Dörte Lindner-Schmidt vertraut den Menschen, die draußen vor der Tür auf die Lebensmittel warten, die zuvor in den Supermärkten aussortiert worden sind, weil sie sich am Rande der Mindeshaltbarkeit bewegen. „Wir haben vielleicht 5 Prozent Schmarotzer unter ihnen. Das zeigt, wie viel Vertrauen man in die anderen 95 Prozent haben kann!“

Da ist sie wieder, die positive Energie in diesem Haus. Vom Nachweis der Bedürftigkeit, wie es an Hamburger Tafeln üblich ist, hält sie nichts. „Wo beginnt sie denn, die Bedürftigkeit? Bei manchen geht es los, wenn sie sich hoch verschuldet haben und zahlungsunfähig werden. Bei anderen sorgt eine Trennung für Armut. Man sieht das auch nicht jedem an.“ Die Vorsitzende der Sylter Tafel will es sich nicht anmaßen, darüber zu entscheiden, wer bedürftig ist. Und wer nicht. „Unsere Kunden haben untereinander Kontakt, man kennt sich.“ Da bleibt nur wenig Platz für die, die‘s nicht nötig haben.
Mehr Sorgen machen ihr die Lohnhöhen in den unteren Einkommensgruppen. „Aktuell wird über die Höhe des Bürgergelds diskutiert. Was wir in unserem Land vor allem brauchen, ist ein Lohn, der die Arbeit auch wirklich wertschätzt. Das ist das eigentliche Problem.“ Das passt ihr nicht, das merkt man Dörte Lindner-Schmidt an. Die freundliche Wärme weicht kurz aus ihrem Gesicht. „Die, die Bürgergeld bekommen werden, sind keine Schmarotzer!“, stellt sie sich schützend vor die, für die es oft nicht zum Notwendigsten reicht.

Dann kommt sie wieder zurück auf ihr Tun, auf die Arbeit bei der Sylter Tafel, wo so vielen Menschen so konkret geholfen werden kann. Jetzt, im Spätherbst, kommen wieder mehr Lebensmittel rein, vor allem Gemüse und Obst. Und die Sylter spenden. Damit können dann Tee und Kaffee gekauft werden – Lebensmittel, die aus den Supermärkten im Normalfall nicht abgegeben werden.
Plötzlich steht Christian Witasek in den Tür, vom Jugenderholungsheim Puan Klent in Rantum. Er hat flaschenweise Getränke dabei, die jetzt, nach Ende der Saison, in Puan Klent, nicht mehr gebraucht werden. Limo, Saft – das wird alles gerne genommen.

„Bis nächstes Jahr, Christian, wir sehen uns“, ruft ihm Dörte Lindner-Schmidt hinterher. 17 Schokoriegel hat er auch mitgebracht. Die Vorsitzende der Sylter Tafel freut sich: „Es geht nicht um die Masse, es geht um die Geste.“
Jetzt, kurz vor Weihnachten, bereiten sie wieder Gutscheine vor für ihre Gäste. „Dann können sie mal in den Supermarkt gehen und sich etwas aussuchen.“ Früher, vor den Gutscheinen, habe auf dem Hof gleich neben dem Haus ein reger Tauschhandel eingesetzt, wenn die Tafel geschlossen wurde. Kaffee gegen Tee und Kakao gegen Süßes. „Die Gutscheine finanzieren wir aus Spenden. So kann sich jeder etwas Kleines aussuchen.“

Glücklich ist Dörte Lindner-Schmidt über den Wunsch vieler Menschen aus der Ukraine, die an der Tafel langsam deutsch lernen. „Die kennen das Gemüse und sind stolz, wenn sie das Wort Kartoffel sagen können.“ Die neuen Gruppen von Menschen seien eine echte Bereicherung für die Aktiven der Sylter Tafel, denn von den aktuell 80 Stammkunden stammt etwa die Hälfte aus diesem seit Monaten so sehr geschundenen Land.

Und dann, kurz bevor unser Gespräch zu Ende ist, muss sie noch eine Geschichte erzählen, die sie über die Maßen beeindruckt hat. „Da kam vor einiger Zeit ein Mann aus der Nachbarschaft und hat mich gefragt, wie viele Menschen regelmäßig zu uns kommen. 60 Gäste hatten wir damals etwa. Und dann kam dieser Mann an einem Dienstagmorgen bei uns vorbei und hatte 60 50-Euro-Scheine dabei. Er hat sie an die Menschen verteilt und ihnen gesagt, sie sollten damit machen, was sie wollen.“ Dörte Lindner-Schmidt schweigt kurz. Man merkt ihr die Dankbarkeit an, als sie sich an diesen Mann erinnert. Es gibt diese Orte tatsächlich, an denen die positive Energie zu Hause ist, das Vertrauen und die Dankbarkeit.


Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 20.12.2022
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