Verhandlungen mit dem Kreis und Amtsgemeinden
Späte Hoffnung auf Haushalt
Foto: ohInsel Sylt. Die Gemeinde Sylt ist eine wohlhabende Kommune. Während andere Städte und Kreise sich darüber freuen, dass die Schuldzinsen derzeit einen historischen Tiefstand haben, hat die größte Inselgemeinde aktuell einen zweistelligen Millionenbetrag auf der hohen Kante. Trotzdem können die Verwaltung und die Gemeindevertretung nicht aus dem Vollen schöpfen, denn es gab und gibt für das Jahr 2021 keinen genehmigten Haushalt. Ausgaben dürfen nur erfolgen, wenn gesetzliche Aufgaben erfüllt werden oder in Vorjahren begonnene Projekt fortgeführt werden. Vereine und Verbände erhalten keine sogenannten freiwilligen Leistungen. Nun sieht die Gemeinde aber aktuell die Chance, dass sich das noch in den letzten Tagen des Jahres ändern könnte.
Sylter Verwaltung hat nicht geliefert
Der Grund der Misere hat seine Wurzeln in der Vergangenheit. Die vom Kreis Nordfriesland seit Jahren geforderten Bedingungen einer ordnungsgemäßen Anlagenbuchhaltung konnten von der Sylter Verwaltung bisher nicht erfüllt werden. Gleichzeitig hängt Sylt mit der grundsätzlichen Änderung des gesamten Buchhaltungssystems zurück. Landesweit wurde die vom Grundsatz her aus dem 30-jährigen Krieg stammende kameralistische Haushaltsführung durch die moderne doppelte Buchführung „Doppik“ ersetzt. Auf Sylt wurde diese Umstellung bisher nicht geschafft, hier werden noch kameralistisch Einnahmen und Ausgaben bearbeitet, ohne dabei Erträge und Aufwendungen zu berücksichtigen. Grund genug für die Haushaltsaufsicht des Kreises, den Haushalt 2021 der Gemeinde Sylt nicht zu genehmigen und auch für den weitgehend von der Gemeindevertretung diskutierten Haushalt 2022 ein Veto anzukündigen.
Jetzt ist Bewegung ins Spiel gekommen
Nun kam in den letzten Tagen Bewegung in die Angelegenheit. Die Gemeinde Sylt, die Amtsgemeinden List, Kampen, Wenningstedt-Braderup und Hörnum, die insularen Zweckverbände, Vertreter des Landesinnenministeriums und die entscheidenden Vertreter des Kreises trafen sich zu gemeinsamen Sitzungen in Husum. Alles drehte sich um die Frage, wie die beteiligten Gemeinden und der Kreis die Bemühungen und Fortschritte der Sylter Verwaltung in Sachen Anlagenbuchhaltung bewerteten. Bei der Anlagenbuchhaltung geht es vereinfacht darum, jeden Quadratmeter Gemeindeland korrekt zu bewerten, Kosten und Nutzen von Bebauungen zu berechnen. Das reicht bis zur ordentlichen buchhalterischen Bewertung jeder einzelnen Straßenlaterne.
Viel Kritik aus Husum in Richtung Sylt
Die Kreisdelegation, angeführt von Landrat Florian Lorenzen, hielt sich auch aktuell an frühere Stellungnahmen und äußerte viel Kritik an der von Bürgermeister Nikolas Häckel seit 2015 geführten Verwaltung. So wurde unter anderem bemängelt, dass seit 2013 bekannt war, dass auch kameral buchende Kommunen spätestens ab dem Haushaltsjahr 2016 für das gesamte Immobilien- und Infrastrukturvermögen eine Anlagenbuchhaltung einrichten und Abschreibungen veranschlagen müssen. Auf Sylt geschah dies nicht. Seit 2016 hat die Kommunalaufsicht des Kreises Nordfriesland die Gemeinde Sylt regelmäßig und eindringlich darauf hingewiesen, dass sie hier gegen geltendes Recht verstoße. Bürgermeister Häckel habe immer wieder Zwischenberichte abgegeben, in denen er von einer „laufenden Umsetzung“ sprach. Als Gründe für die zahlreichen Verzögerungen wurden, so bilanziert der Kreis, beispielsweise Softwareumstellungen, im Zuge der Ämterreform vernichtete und nun fehlende Unterlagen oder eine seit 2012 bekannte Umsatzsteuerproblematik benannt.
Wiederholte Zusagen aus Westerland
Wiederholt habe die Inselverwaltung zugesagt, für das jeweilige Folgejahr einen rechtskonformen Haushalt aufzustellen. Auch als das Land 2019 die Vorschriften für die Haushaltsaufstellung verschärfte und die Inselverwaltung die Bedingungen der Buchführung nach Einschätzung des Kreises erneut nicht erfüllen konnte, schlug die Untere Kommunalaufsicht des Kreises trotzdem der Oberen Kommunalaufsicht des Landes im Innenministerium vor, zunächst von einer Beanstandung des Haushalts 2020 abzusehen, um die zahlreichen negativen Auswirkungen eines fehlenden Haushalts zu vermeiden. Das geschah unter der Bedingung, dass der Zeitplan eingehalten und der Haushalt für 2021 gesetzeskonform aufgestellt würde. Das Innenministerium stimmte zu.
Kreis: Arbeitsergebnis war nicht ausreichend
In der Zwischenzeit verstärkte sich die Verwaltung personell im Bereich der Anlagenbuchhaltung, doch das Ergebnis der Arbeit war nach der Beurteilung der Kreisverwaltung nicht ausreichend. In dem am 6. Januar 2021 von der Gemeinde Sylt eingereichten Zwischenstand fehlte der Kommunalaufsicht die Erledigung wesentlicher Punkte. Nach Beurteilung des Kreises war so die Aufstellung eines Haushaltes nicht möglich. Seither darf die Gemeinde, wie es der Paragraf 81 der Gemeindeordnung vorschreibt, nur „…Auszahlungen leisten, zu deren Leistung sie rechtlich verpflichtet ist oder die für die Fortsetzung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind…“
Häckel sieht jetzt Chance für Haushalt 2021
Nach den Treffen der letzten Tage sieht Bürgermeister Häckel jetzt aber eine realistische Chance, doch noch in den letzten Tagen dieses Jahres die Bedingungen für einen ordentlichen Haushalt 2021 zu erfüllen. Auf seiner privaten Homepage heißt es entsprechend: Geschafft! Die seit 2016 geforderten kameralen Anlagebuchhaltungen, die Inventarverzeichnisse der Inselgemeinden und -verbände liegen vor. In einem großen Kraftakt konnten die jahrzehntelangen Datenlöcher recherchiert und gefüllt werden. Mit großem Personal- und Kostenaufwand konnten nun die Anlageverzeichnisse den Gemeinden und Verbänden zur Kontrolle auf Vollständigkeit vorgelegt werden.
Gütliche Lösung noch am Dienstagnachmittag?
Nach letzten Besprechungen mit allen Beteiligten am späten Dienstagnachmittag (30. November) hofft Nikolas Häckel auf eine gütliche Lösung: „Sobald alle Fragen hierzu beantwortet sind, können die Haushalte der Gemeinden und Verbände aufgestellt und verabschiedet werden – noch in 2021. Damit können dann auch in diesem Jahr noch die finanziellen Unterstützungen von Vereinen und Verbänden ausgezahlt werden.“ Das Ergebnis des Treffens lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor. Es mehren sich aber die Stimmen, die erwarten, dass bei der nächsten Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstag, 16. Dezember, der Haushalt auf der Tagesordnung stehen wird.
Auch der Kreis stützt die Einschätzung in seiner Stellungnahme: „Wenn alles nach Plan geht und die Unterlagen vollständig vorliegen, können die Haushalte für 2021 beschlossen werden. Bis dahin gelten weiterhin die Grundsätze der vorläufigen Haushaltsführung.“
Geschrieben von: Peter Marnitz / veröffentlicht am: 01.12.2021