Gemeindevertretung stimmt mit einer Stimme Mehrheit für Amtsmodell
Glatt am Bürger vorbei?
Foto: Archiv Das Amtsmodell wurde von CDU und SWG eingebracht und mit einer Stimme Mehrheit in der Gemeindevertretung beschlossen. Im Bild das Rathaus Westerland.Gemeinde Sylt. Die Entscheidung war denkbar knapp – mit nur einer Stimme Mehrheit hat sich die Gemeindevertretung für den Beitritt der mit Abstand größten Gemeinde der Insel Sylt zum Amt Landschaft Sylt zum 1. Juli 2023 ausgesprochen. Eine Mehrheit von CDU und SWG reichte dafür in der jüngsten Sitzung am vergangenen Donnerstag aus. Damit soll im kommenden Jahr eine gemeinsame Amtsverwaltung geschaffen werden. Nun liegt es an den vier Amtsgemeindnen Wenningstedt, Kampen, List und Hörnum, ob das Amtsmodell Realität wird, denn sie müssen jeweils noch zustimmen.
Gegen den Beitrittsantrag von CDU und SWG gab es einen gemeinsamen Gegenantrag von SPD, Die Grünen, SSW, Zukunft. und SSW. In diesem fordern die Parteien, dass die Bürger der Gemeinde Sylt über einen Beitritt ihrer Gemeinde zum Amt Landschaft Sylt abstimmen sollen – und zwar nach einer intensiven Reflexion über die Vor- und Nachteile eines Beitritts. Dazu sollte es Informationsveranstalungen oder Workshops mit Experten und Bürgern geben. Die Gruppe begründet ihren Vorschlag damit, dass die Strukturen der Gemeinde durch einen Beitritt nachhaltig verändert würden. Die Gemeinde hätte keine eigene Verwaltung mehr. Das sei ein „massiver Eingriff in die Struktur der Selbstverwaltung“, heißt es im Antrag. Mehr Gemeinsamkeit sei von einem Beitritt nicht zu erwarten, da die hohe Dominanz der Gemeinde Sylt im Amtsausschuss eher zu Problemen führen könnte.
Rückblick: Im Herbst 2020 lehnte die Gemeindevertretung das Amtsmodell noch ab. Damals fanden verschiedene Informationsveranstaltungen mit Experten und ausführliche Diskussionen statt. Herbert Lorenzen, der frühere Amtsdirektor von Eiderstedt, stellte 2020 in Wenningstedt die Strukturen des Amtsmodells vor – eine intensive Diskussion folgte. Unter dem Motto „Eine Insel, eine Verwaltung“ vertrat die CDU vor zwei Jahren die Auffassung, dass die insularen Abstimmungsprozesse durch eine neutrale Verwaltung wesentlich vereinfacht und zielführender organisiert werden könnten.
„Das Ziel unseres Antrages war es, die Basis für ein engeres Zusammenwachsen der Inselgemeinden zu schaffen – mit dem späteren Ziel einer Fusion“, sagte Mario Pennino von der Sylter Wählergemeinschaft am vergangenen Donnerstag. Durch das Amtsmodell werde „der Druck vom Bürgermeister“ genommen, der einen guten Job mache, sich aber nicht ausschließlich für das Inselwohl einsetzen könne. Würde ein Amtsdirektor eingesetzt, wäre der Bürgermeister kein Verwaltungschef mehr und könne freier agieren.
„Wir wissen nicht, ob das Amtsmodell der richtige Weg ist, haben uns aber entschieden, das erklärte Ziel einer Fusion damit aufrecht erhalten zu können.“
Die SPD sieht beim Amtsmodell gravierende Nachteile für die Gemeinde. „Der Chef der Verwaltung ist der Bürgermeister, der von den Bürgern gewählt wurde. Durch die Selbstverwaltung haben wir einen direkten Zugriff auf die Verwaltung. Treten wir dem Amtsmodell bei, werden Vertreter der Parteien in den Amtsausschuss entsandt, die dann den Chef der Amtsverwaltung bestimmen. Die Wähler haben dann nur sehr indirekt Einfluss auf die Entscheidungen der Gemeinde“, erklären Gerd Nielsen und Eberhard Eberle.
Der Vorsitzende der SPD, Peter Marnitz, sieht noch eine andere Gefahr: „Wenn die Verwaltung der Gemeinde zur Amtsverwaltung wird, wird der Bürgermeister zum Verwaltungschef ohne Verwaltung. Stattdessen kann die voraussichtlich christdemokratische Mehrheit im Amtsausschuss einen der Partei angenehmen Amtsdirektor bestimmen.“ Wer sich für ein gesamtinsulares Gremium stark mache, solle sich für eine Gemeindevertretung einsetzen, die Entscheidungen für die ganze Insel treffen kann, so die SPD in ihrer Stellungnahme.
Vor der Abstimmung hat Lars Schmidt von der Fraktion Zukunft. angekündigt ein Bürgerbegehren zu initiieren, sollte das Amtsmodell beschlossen werden. „Das wäre legitim“, entgegnete Mario Pennino. Auf die Frage, ob die Entscheidung am Bürger vorbei getroffen wurde, sagte Pennino, dass die vom Bürger gewählten Vertreter demokratisch entschieden hätten.
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Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 21.09.2022