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BBZ Sylt lädt zum Tag der offenen Tür

Flucht aus dem Leben

Foto: Nicole Lütke Diplom-Sozialpädagogin Maren Winter und Diplom-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut Lars-Michael Wittmeier unterstützen und beraten Suchterkrankte.

Tinnum. Er ist überall. Man sieht ihn in den Supermarktregalen, im Restaurant steht er auf dem Tisch. Er taucht im Fußballstadion genauso auf wie in Popsongs oder Werbespots im Fernsehen: Alkohol, der Sanitäter in der Not – so besingt ihn Herbert Grönemeyer 1984. Es sagt viel aus, dass Alkoholpraktisch so etwas wie Kulturgut zu sein scheint. Der Drink aus der Flasche oder dem Glas ist gesellschaftlich akzeptiert und beliebt. Er ist Fallschirm und Rettungsboot, wie der bereits zitierte Grönemeyer es beschreibt. Ein einfacher Problemlöser. Doch für zahlreiche Menschen ist er noch mehr: Eine Droge, von der sie nicht mehr loskommen.
Das Beratungs- und Behandlungszentrum berät und unterstützt Menschen, die an Suchterkrankungen leiden. Das sind neben Alkohol noch andere Stoffe wie Kokain, synthetische Drogen wie Ecstasy, aber auch Spiel- oder Internetsucht.

„Die Suchtberatung gibt es seit 1974, aber die Erziehungs- und Lebensberatung auf der Insel existiert schon seit 1963”, erklärt Diplom-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut Lars-Michael Wittmeier. Seit 60 Jahren also – und eben dieser runde Geburtstag wird am kommenden Freitag, 1. September, ab 13 Uhr im Diakonischen Werk Südtondern, Keitumer Landstraße 36, in Tinnum gefeiert. „Anfang der 70er-Jahre bemerkte man, dass das Thema Alkoholismus in der Beratung eine immer größere Rolle spielte. So wurde eine professionelle Anlaufstelle für Menschen geschaffen, die eine Suchtproblematik haben, sowie für deren Angehörige”, so Wittmeier weiter.
Menschen, die zu Drogen greifen, möchten vor bestimmten Problemen fliehen, sich aus dem Leben und der Realität flüchten. Dabei sind die Problemlagen, die diese Menschen quälen, in den vergangenen Jahren zunehmend komplexer geworden. Neben der Sucht gibt es psychische Erkrankungen oder wirtschaftliche sowie familiäre Schwierigkeiten. „Die Sucht ist nur das Symptom, dahinter stehen häufig völlig andere Probleme”, erklärt Sozialpädagogin und Diakonin Maren Winter. Viele Menschen tragen Konflikte aus der Vergangenheit mit sich herum, die nicht bewältigt werden konnten. Die zugrunde liegenden Probleme sind so vielschichtig und unterschiedlich wie die Gruppe der Suchtkranken. Betroffen sich Arme, Reiche, erfolgreiche Menschen – von Jung bis Alt. Dass Alkoholsucht eine Krankheit ist, wird noch immer nicht von allen Menschen anerkannt. „Die Erkrankten können nicht einfach per Willenskraft aufhören. Sich aus der Sucht zu befreien, kostet viel Kraft und ist meist ein langer Prozess“, sagen Wittmeier und Winter.
Was sich in den Jahrzehnten seit Beginn der Suchtberatung verändert hat, sind die Zugangswege zu legalen und illegalen Drogen. Heute muss man beispielsweise Substanzen wie Cannabis nicht mehr beim Dealer um die Ecke kaufen – es gibt einen großen Online-Markt. Alkohol ist für viele Konsumenten immer noch die Einstiegsdroge. Und was auffällig ist – die Konsumenten werden jünger, obwohl man hier nicht verallgemeinern kann.
„Wenn ein Suchtkranker den Weg in die Beratung findet, dann ist der erste erfolgreiche Schritt schon mal gemacht”, sagen die beiden Sozialpädagogen. „Wir verurteilen die Menschen nicht, die zu uns kommen, sondern nehmen sie an, wie sie sind – mit allen ihren Fehlern und Schwächen”, sagt Wittmeier. Während des Beratungsprozesses versuchen die beiden, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen und den Erkrankten auf die Therapie vorzubereiten. „Diese Beziehungsarbeit ist sehr wichtig. Wir motivieren, begleiten und überlegen uns gemeinsam mit dem Klienten kleine Schritte, die für ihn machbar sind. Er soll kleine Erfolge erleben, die ihn stärken”, erklären sie. Dabei sollen sich die Erkrankten ernstgenommen fühlen. Die Gespräche finden auf Augenhöhe statt. „Wir vermitteln ein Stück Wertschätzung. Die Klienten stehen mit ihren Bedürfnissen absolut im Mittelpunkt.” Vermutet man einen Suchterkrankten im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis, sollte man offen auf diesen Menschen zugehen, das Problem benennen, aber auf eine vorurteilsfreie, respektvolle Weise. „Man sollte kommunizieren, dass man dem Betroffenen zur Seite steht. Machen Sie ein Angebot: „Ich bin da, wenn du mich brauchst.”
Es ist für die Erkrankten nicht einfach, sich ihren Problemen zu stellen. Es kostet viel Kraft, Disziplin und Willenskraft, die Sucht hinter sich zu lassen. Jeder, der diesen schweren Weg auf sich nimmt, verdient Respekt und Anerkennung.
Menschen mit Suchterkrankungen oder Angehörige, Freunde und Arbeitskollegen können sich an das Beratungs- und Behandlungszentrum Sylt, Diakonisches Werk Südtondern, Keitumer Landstraße 36, 25980 Sylt/Tinnum wenden, Telefon 04651 82220-20 oder per Mail an bbz-sylt@dw-suedtondern.de. Mehr Informationen gibt es unter www.dw-suedtondern.de.
Von 12 bis 13 Uhr gibt es eine tägliche Suchtsprechstunde, die ohne Termin besucht werden kann.


Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 29.08.2023
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