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Radverkehrskonzept vorgestellt – Erhalt der Lornsenstraße als Fußweg gefordert

Emotionale Diskussion

Foto: Heiko Wiegand Der Lornsenweg ist als ausgeschilderter Fußweg definiert. Hier dürfen also keine Radler unterwegs sein. Im Hintergrund: das Seniorenzentrum an der Steinmannstraße.

Westerland. Von List im Norden bis Hörnum im Süden ist die Insel ein Paradies für Radfahrer. Idyllische Dörfer, eine einmalige Naturlandschaft aus Dünen, Marsch und Geest locken jedes Jahr mehr Radtouristen an. Die Nordseeninsel ist mit ihren 40 Kilometern Länge und 13 Kilometern Breite schnell „erfahren“. Kein Wunder, dass sich die vielfältigen Strecken großer Beliebtheit erfreuen. Doch klar ist auch – um diese Touristen zufrieden zu stellen, braucht es eine gut ausgebaute Fahrrad-Infrastruktur. Die Gemeinde Sylt hat sich aufgemacht, ein Radverkehrskonzept auf die Beine zu stellen. In der jüngsten Einwohnerversammlung am vergangenen Donnerstag im Keitumer Friesensaal ist das Thema emotional diskutiert worden. Neben Bürgermeister Nikolas Häckel saßen Bürgervorsteher Frank Zahel (CDU) und Eberhard Eberle (SPD) auf dem Podium.

Sabrina Stieger vom Planungsbüro „SHP Ingenieure“ aus Hannover stellte den rund 80 Anwesenden die Pläne vor. Erarbeitet wurde das Konzept in einer „Fahrradwerkstatt“, in der Politik, Verwaltung und Gutachter gemeinsam die Vorschläge beraten haben.

Radwege zu schmal, zu unübersichtlich
Entlang den Hauptverkehrsstraßen gibt es überwiegend Gehwege, die für den Radverkehr frei sind. Eine Benutzungspflicht gibt es allerdings nicht. Durch die gemeinsame Nutzung gibt es viele Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr. Die Radwege sind in die Jahre gekommen und mit einem Meter Breite viel zu schmal. Hinzu kommt eine Führung, die für die Radler oftmals nicht erkennbar ist. An gefährlichen Knotenpunkten ist zudem die Sicht eingeschränkt. Es gebe nicht ausreichend Parkplätze für die Räder, vor allem in Strandnähe, in der Fußgängerzone und am Bahnhof.
Die Strategie soll sein: Der Radverkehr ist die vorherrschende Verkehrsart. Dazu müssen bestimmte Maßnahmen umgesetzt werden wie beispielsweise eine regelkonforme Führung, eindeutige Markierungen, die Trennung vom Fußverkehr und die Umgestaltung von gefährlichen Knotenpunkten. Die Planungen für einen selbstständig geführten Radweg sehen einen vier Meter breiten Weg vor, auf dem auch nebeneinander gefahren werden kann. Der Fußweg soll dann eine Breite von drei Metern haben, zusätzlich ist noch ein Grünstreifen von einem Meter Breite eingeplant. An engen Stellen ist ein Radweg von 2,50 Meter Breite sowie ein Fußweg von 1,80 Meter Breite vorgesehen.

Für den Fall, dass der neue Radweg auf der Straße entlangführt, sind andere Breiten vorgesehen – diese hängen davon ab, ob eine Fahrtrichtung oder beide für den Kfz-Verkehr freigegeben sind. Die Fahrradstraßen wären an Knotenpunkten vorfahrtsberechtigt. Die Vorfahrt könnte beispielsweise durch einen Aufpflasterung, Schilder oder einen Materialwechsel verdeutlicht werden, erklärte Sabrina Stieger vom Planungsbüro „SHP Ingenieure“.

Emotionale Diskussion um den Lorsenweg
In der anschließenden Diskussion wurde es emotional, als es um den Lornsenweg ging, der in eine Fahrradstraße umgewandelt werden soll. Der Lornsenweg soll ist Teil des Wesküstenradweges werden, der als erste konkrete Maßnahme des neuen Plans realisiert werden soll.

„Der Fußweg liegt vielen Menschen am Herzen“, erklärte eine Anwohnerin. In diesem Bereich wohnen zahlreiche Familien und ältere Menschen, unter anderem befindet sich direkt am Lornsenweg das Seniorenzentrum an der Steinmannstraße. Der Lornsenweg habe einen „sozialen Wert“, sei ein „Kleinod“, vor allem für Spaziergänger. „Warum wollen Sie den Spaziergängern den Weg wegnehmen?“, brachten es die Betroffenen auf den Punkt.

„Von der Lokalpolitik nicht berücksichtigt“
Philipp Duske sprach stellvertretend für eine Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des Lornsenweges in seiner heutigen Form ausspricht. Insgesamt rund 900 Unterschriften wurden dafür eigenen Aussagen zufolge gesammelt. „Wir haben uns mit unserer Meinung durch die Lokalpolitik nicht berücksichtigt gesehen. Daraufhin haben wir uns entschieden, unser Anliegen nachvollziehbar für alle Beteiligten in die Öffentlichkeit zu bringen. Ich denke, die Botschaft ist bei den Politkern angekommen“, sagte Duske im Gespräch.

Andere Bürger bemängelten am Radverkehrskonzept die fehlende Wertigkeit der Fußgänger; eine ältere Dame sah die Interessen und Bedürfnisse von Menschen mit Handicap vernachlässigt. Das Konzept stelle vor allem die Bedürfnisse der Radfahrer in den Mittelpunkt. Von „Fahrrad first“, war gar die Rede.

„Das Konzept ist für größere Städte vielleicht geeignet, für Sylt allerdings nicht“, erklärte SPD-Gemeindevertreter Gerd Nielsen. Er gibt zu bedenken, dass sich ein vier Meter breiter Radweg, ein drei Meter breiter Fußweg plus Grünstreifen nur in bestimmten Bereichen umsetzen lasse. Die Kosten für die Baumaßnahme seien enorm hoch für eine Infrastruktur, die nur für drei bis vier Monate im Jahr gebraucht werde. Der Radverkehr insgesamt werde gefährlicher, weil E-Bikes und Radfahrer schneller unterwegs sein könnten.
Peter Marnitz stellte als Parteivorsitzender der SPD-Sylt den Antrag, dass der „Lornsenweg nicht zum Fahrradschnellweg umgebaut wird“, sondern in der „jetzigen Nutzung“ erhalten bleibt. Die Bürger sollen umgehend an der Entwicklung eines konsensfähigen Radverkehrskonzeptes beteiligt werden.

Der Antrag wurden mit großer Mehrheit angenommen. Auch zwei Gemeindevertreter der CDU, Peter Schnittgard und Holger Flessau, stimmten für den SPD-Antrag. Weitere Gemeindeverteter der CDU waren nicht anwesend. Das Votum ist für die Gemeinde Sylt allerdings rechtlich nicht bindend.

Das Thema Radverkehrskonzept soll in der kommenden Sitzung der Gemeindevertretung behandelt werden.

Kommentar von Nicole Lütke

Ringen um die beste Lösung

„Wir haben uns mit unserer Meinung durch die Lokalpolitik nicht berücksichtigt gesehen.“ Das sagte Philipp Duske, einer der Initiatoren der Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des Lornsenweges als Fußweg einsetzt.
Eine Lehrstunde in Sachen Lokalpolitik: Die Bürger wollen bei Entscheidungen mit im Boot sitzen, sie wollen gehört werden. Lokalpolitik bedeutet, zu streiten, um die beste Lösung zu ringen, Kompromisse zu machen und alle Beteiligten mitzunehmen. Dabei geht es nicht darum, ein gutes Radverkehrskonzept zu verhindern. Die Mehrheit ist sich im Klaren darüber, dass die Radwege verbessert werden müssen.
Wenn die Beteiligten sich an den Tisch setzen, um einen intelligenten Kompromiss zu finden, kann sich nicht nur für Radfahrer auf der Insel mehr bewegen – sondern für alle Verkehrsteilnehmer.


Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 14.06.2022
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