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Zu Besuch bei Hildegard Steiner-Schwarz in Keitum

Ein Gespür für Bücher

Foto: Nicole Lütke Sie und ihr Buchladen sind eine Institution in Keitum: Hildegard Steiner-Schwarz hat Generationen besondere Literatur nahegebracht.

Keitum. Der Pendlerzug vom Festland rollt in den Bahnhof Keitum ein. Hildegard Steiner-Schwarz ist mit Büchern bepackt. Ihr Ziel – ihr zweites „Zuhause“ – die Büchertruhe. Einige Mitfahrer erkennen Steiner-Schwarz und fragen, ob sie helfen können. Die rüstige 90-jährige Grande Dame nimmt ihren Gehstock und los geht es. Sie ist eine Erscheinung, stets elegant gekleidet, auch noch im hohen Alter.
Seit 43 Jahren führt sie das Buchgeschäft im Herzen Keitums. Der Friesenort ist ein Teil von ihr – und sie ist ein Teil von Keitum. Früher war noch ihr Mann Helmut an ihrer Seite, jahrzehntelang führten sie gemeinsam das Geschäft. Das Geschäft ist eine Institution im Ort, genau wie seine Inhaberin. Keitum ohne die Büchertruhe? Für viele unvorstellbar.
Ich betrete den Buchladen zum ersten Mal, die laute Türglocke kündigt mich an. Hildegard Steiner-Schwarz packt Bücher auf den Tisch. Sie strahlt herzlich. Der Laden ist an jeder Ecke mit Büchern vollgepackt – historische Geschichten, Kinderbücher, Biografien … ein schier unendlicher Fundus. Wie behält sie hier nur den Überblick? Die üblichen Bestseller der diversen Verkaufslisten sucht man vergeblich. Was sich hier in den Regalen findet, ist rares Büchergut und ganz besonderer Lesestoff.
Wir kommen ins Plaudern, natürlich über Bücher. Die 90-Jährige ist in ihrem Element. Sie zeigt mir ein paar spezielle Ausgaben, die ihr wichtig sind. Bücher sind ihr Leben, das merke ich schnell. „Seit ich lesen kann, lese ich“, sagt sie und schmunzelt schelmisch. Der Vater ist Journalist und Bücher und Zeitungen gehören für die kleine Hildegard seit frühester Kindheit dazu.
Hildegard Steiner-Schwarz ist nicht einfach nur Buchhändlerin. Diese Zuschreibung würde ihr nicht gerecht. Sie hat Generationen von Urlaubern und Syltern Literatur nähergebracht. Sie hat Menschen zu Leseratten gemacht und sie für Bücher sensibilisiert, die die meisten vorher gar nicht kannten. „Man muss schon etwas von Büchern verstehen und Ideen haben, um Menschen für Geschichten zu begeistern.“ Vor allem auch für das, was man früher Geisteswissenschaften nannte. Philosophie, Geschichte, Theologie – diese Themenbereiche begeistern sie selbst. Sie erinnert sich gern an Ludolf Müller, ein Theologe und Slawist, der den russischen Dichter Fjodor Dostojewski übersetzt hat. Natürlich war er bei ihr in Keitum, in ihrem Buchladen. Viele alte Professoren, Dichter und Denker hat es im Urlaub auf die Insel verschlagen – und sie gehörten zu den Stammkunden von Hildegard Steiner-Schwarz. Sie hat die Personen und Geschichten noch im Kopf, genauso wie Buchtitel. Ihre Kundschaft schätzt gerade diese Interessensvielfalt und ihre Bücher-Kenntnisse. Sie hat immer einen Geheimtipp parat. „Wir haben uns unsere Kundschaft hart erarbeitet“, sagt sie und meint damit, dass sie für jeden Kunden das passende Buch findet.
Doch die Buchhändlerin weiß auch – die jüngeren Leser muss man für alte Literatur erst begeistern. „Ich finde es gut, wenn man alte Literatur so zeitgemäß übersetzt, dass damit auch junge Generationen angesprochen werden“. Wie lange sie den Buchladen noch führen wird? Sie weiß es nicht. Der Weg nach Keitum ist beschwerlicher geworden. Doch ihr Herz hängt an ihrer Büchertruhe. Und was wäre Keitum ohne sie?


Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 27.12.2022
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