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Urteil gegen Sylter (26) nach Überfall auf vermögende Frau

Drei Jahre, sechs Monate

Foto: Dirk Lotze Vor Sitzunsbeginn: Der Hauptangeklagte aus Sylt (26) berät sich mit seiner Anwältin Dörthe Clemens (re.). Links die Verteidiger der anderen Angeklagten, Rechtsanwälte Sascha Bloemer und Selina Röhrl.

Wuppertal/Insel Sylt. Nach einem brutalen Raubüberfall auf eine Frau (47) in ihrer Wohnung muss ein 26 Jahre alter Angeklagter aus der Gemeinde Sylt in Haft. Das Landgericht Wuppertal verurteilte ihn zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe; Bewährung ist bei dieser Höhe ausgeschlossen. Ein im selben Prozess mitangeklagter Mann (22) erhielt die gleiche Strafe, ein Gehilfe (34) wurde zu einem Jahr ausgesetzt zur Bewährung verurteilt. Die Tat war überregional organisiert: Ein noch nicht ermittelter Umzugs-Arbeiter soll dem 34-Jährigen Informationen über Geld in der Wohnung der vermögenden Geschädigten in Solingen verraten haben. Das sollte sie durch einen Immobilienverkauf erhalten haben.
Bei dem Raub vom November 2021 in einem Mehrfamilienhaus in guter Wohnlage wurde die Frau gefesselt und geknebelt und mit Verstümmelung ihrer Hände bedroht. Die drei Angeklagten haben gestanden; sie hätten sich aber nicht am Erpressungsversuch beteiligt. Das Gericht geht davon aus, dass sie zunächst einen Einbruch in menschenleere Räume geplant hatten, wie sie angegeben haben. Die Tat habe sich zum Raub gesteigert, als sie auf ihr Opfer trafen. Der Vorsitzende Richter erläuterte in seiner mündlichen Begründung zur Strafhöhe: „Man muss berücksichtigen, dass die ausgeführte, eskalierte Tat spontan war.“
Bei dem Geschehen soll der älteste Angeklagte seinen beiden jüngeren Komplizen den Tipp weitergegeben und den Tatort benannt haben. Er bestätigte, er habe am Tatmorgen an der Adresse der Geschädigten das Haus fotografiert. Über sein Handy habe er das Bild den Anderen geschickt, damit die sich bei der Anfahrt orientieren konnten. Dabei soll ein bislang unbekannter weiterer Mann mit im Auto gesessen haben.
Laut Urteil klingelten die beiden jüngeren Angeklagten mit dem Unbekannten an der Tür der späteren Geschädigten. Als sie öffnete, hätten sie zunächst wenige Worte gesprochen; die Frau sei zurück in ihre Wohnung gegangen. Erst danach hätten sich die Männer mit Corona-Masken maskiert, ein zweites Mal geklingelt – und ihren Überfall gestartet. Zum Fesseln und Knebeln der Frau hätten sie einen Schal und ein Handtuch von ihr benutzt. Laut Gericht sprechen die Umstände für einen spontanen Entschluss: Ansonsten hätten sie Fesselungswerkzeug bei sich gehabt.
Die Männer durchsuchten die Räume, nahmen Computer, Schmuck und einen kleineren Geldbetrag an sich und flüchteten. Wertvolle, echte Schmuckteile blieben zurück. Ein erhoffter „Millionenbetrag“ befand sich nicht vor Ort. Die Frau konnte sich befreien, als die Angreifer fort waren. Sie blieb körperlich unverletzt.
Ende 2022 wurden die Angeklagten ermittelt und festgenommen. Der Sylter lebte mit einer Lebensgefährtin auf der Insel. Beide arbeiteten in der Gastronomie. Er und der jüngste Mitangeklagte sollen sich aus einer gemeinsamen Zeit in einer Obdachlosenunterkunft an einem früheren Wohnort kennen. Sie hätten nach der Zeit der Not Kontakt gehalten. Bei dem 22-Jährigen wurde im Zusammenhang mit der Festnahme eine scharfe Pistole gefunden.
Durch die Geständnisse brauchte die geschädigte Frau nicht mehr im Gericht aussagen. Laut einem Polizisten soll sie Anfang Mai angegeben haben: Es gehe ihr besser und sie nehme wieder am Leben teil. Der Beamte berichtete dem Gericht: „Mein Eindruck war, sie wollte das nicht an sich ran lassen.“ Unwiderlegt bleibt, dass der unbekannte vierte Mann die Geschädigte mit einem Messer bedrohte und dass er bis dahin als einziger von seinem Werkzeug wusste. Zwei der Angeklagten haben bei laufendem Verfahren zusammen 5.000 Euro an die Geschädigte gezahlt, um vom Gericht mildere Strafen zu bekommen. Sie baten die Richterinnen und Richter sowie ihre Familien um Verzeihung. Die Anwältin des Sylters sagte, ihr Mandant sei mittellos: „Wenn er könnte, würde er ebenfalls Geld auf den Tisch legen.“
Die Hauptangeklagten bleiben in Untersuchungshaft, bis das Urteil rechtskräftig wird. Alle drei können Revision einlegen.
Für den nicht mehr auffindbaren Teil der Tatbeute zieht die Landeskasse 600 Euro von den Angeklagten ein, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Der Betrag geht zu Gunsten der Geschädigten. Der älteste Angeklagte (34) muss 600 Euro in Raten an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen, um in Freiheit bleiben zu dürfen.
Nicht durchsetzen konnte sich die Staatsanwaltschaft. Sie hatte Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs und jeweils mehr als sechs Jahre Freiheitsstrafe für die jüngeren Angeklagten beantragt.


Geschrieben von: Dirk Lotze / veröffentlicht am: 16.05.2023
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