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„Sylt? Das war ein reiner Zufall“

Dr. Heinz Peter Kurtenbach feiert morgen 100. Geburtstag

Foto: Heiko Wiegand Dr. Heinz Peter Kurtenbach feiert morgen seinen 100. Geburtstag. Der Jubilar wohnt seit 1972 in List und erfreut sich weiterhin einer immer noch bemerkenswerten geistigen Frische.

List. Am morgigen Donnerstag feiert Dr. Heinz Peter Kurtenbach einen in Deutschland immer noch sehr seltenen Geburtstag. Der Jubilar wird am 9. Mai 100 Jahre alt. Und er erfreut sich geistig noch einer hervorragenden Gesundheit. Unser Redaktionsmitglied Heiko Wiegand ist mit einem ebenso aufmerksamen wie aufgeschlossenen und freundlichen Menschen ins Gespräch gekommen, der in seiner Wahrnehmung immer noch sensibler ist als mancher 70-Jährige. Er hat eine geschliffene Sprache. Und er kann zuhören. Seit weit über 50 Jahren ist Peter Kurtenbach Mitglied der Lions – auch des Lions Clubs Sylt.

Herr Kurtenbach, an welchem Tag feiern Sie genau ihren 100. Geburtstag?
Ich wurde am 9. Mai 1924 in Limburg an der Lahn geboren.

Sie sind gebürtiger Hesse, wie ich. Was hat Sie denn nach Sylt verschlagen?
Das war ein reiner Zufall. Ich war früher bei der Dresdner Bank beschäftigt. Wir haben ein Schiff finanziert und ich wurde zum Stapellauf eingeladen.

In welchem Jahr war das?
Ach, fragen Sie mich nicht so genau. In meinem Alter vergisst man so manches. Vor allem die unangenehmen Dinge. Dabei war das noch nicht mal unangenehm an dem Tag des Stapellaufs.

Sie sind also von Limburg direkt nach Sylt gegangen?
Nein, ich war bei der Dresdner Bank in Dortmund beschäftigt. Und in Dortmund hatten wir das Schiff finanziert. Ich hatte da einen Prokuristen, der die Finanzierung prima vorbereitet hatte. Der Stapellauf war in Kiel. Von dort aus bin ich dann nach Sylt gekommen. Hier hat es mir so gut gefallen, dass ich damals zu mir sagte: Hier willst Du deinen Lebensabend verbringen.

Sie waren hier zunächst im Urlaub?
Genau. Ich war hier auf Sylt zunächst im Urlaub. Und dann habe ich mir hier eine Ferienwohnung angeschafft. Schließlich bin ich dann ganz hier geblieben.

Das war in welchem Jahr?
Das war im Jahr 1972. Damals war ich 48 Jahre alt.

Damals, als Sie die Ferienwohnung auf Sylt hatten, sind Sie also noch gependelt zwischen Dortmund und Sylt, weil Sie damals noch in Dortmund gewohnt haben?
Ja, so war das.

Herr Kurtenbach, gibt‘s denn ein Rezept für Ihr hohes Alter? Wie wird man denn 100 Jahre alt – und das vor dem Hintergrund, dass Sie immer noch topfit sind!
Nee, also topfit nicht. Gut, im Kopf sicher noch einigermaßen. Aber ich kann mich kaum noch bewegen. Draußen geht das nur noch im Rollstuhl. Meine Kreise sind doch jetzt enger geworden. Im Kopf bin ich noch einigermaßen fit. Ich kann noch denken – und ich kann mich auch noch unterhalten. Namen kann ich mir allerdings nicht behalten, aber das konnte ich noch nie (lächelt).

Was haben Sie denn gemacht, um so lange fit zu bleiben?
Ich würde das so beschreiben: Das Leben ist wie die Nordsee. Beides hat Wellen, das Leben und die Nordsee. Mal ist es oben, mal ist es unten. Man muss die Zeit, die man oben ist, genießen. Und die Zeit, in der man unten ist, ganz schnell vergessen.

Haben Sie denn auch Sport getrieben?
Ja, ganz früher Fußball, dann Tennis. Und dann auf Sylt habe ich jahrelang Golf gespielt. Bis vor einem halben Jahr bin ich auch täglich schwimmen gegangen im Arosa.

Sie sind also täglich schwimmen gegangen, bis Sie 99 Jahre alt waren…
…Ich wäre auch weiterhin schwimmen gegangen, aber irgendwann ging es einfach körperlich nicht mehr. Bis zuletzt waren es immer noch 300 bis 400 Meter am Tag im Schwimmbecken. Danach habe ich dann Wassergymnastik gemacht – und wenn ich nicht schwimmen war, dann bin ich hier im Fennenweg die Straße hoch und runter gelaufen und kam mit den Nachbarn ins Gespräch.

Im Sommer können Sie wieder mit dem Rollator ein Stück auf dem Fennenweg spazieren gehen?
Ja, das mache ich im Sommer wieder zusammen mit meiner Tochter.

Gibt‘s denn in Ihrem Leben ein Essen oder ein Getränk, dem Sie zuschreiben, dass Ihr hohes Alter vielleicht auch damit zu tun hat?
Alkohol trinke ich erst ab abends um 18 Uhr. Im Sommer gerne mal ein Bier, das schmeckt dann schon. Aber ich trinke auch gerne mal ein Gläschen Wein, am liebsten Silvaner.

Und wie sieht‘s mit dem Essen aus? Was mögen Sie besonders gern?
Mein Lieblingsessen ist Spargel. Und immer ausreichend.

Sie wohnen mit Ihrer Tochter zusammen?
Ja, ich wohne mit meiner Tochter zusammen. Aber Sie fragten mich eingangs, wie man so alt werden kann. Das verdanke ich meiner Tochter, denn Sie kümmert sich sehr liebevoll um mich. So kann ich hier in einer wirklich sehr schönen Umgebung leben. Meine Tochter hat mir das alles ermöglicht.

Und wann sind Sie, Frau Kurtenbach, nach Sylt gekommen?
Petra Kurtenbach: Ich bin im Jahr 2002 nach Sylt gekommen. Mein Vater war damals sehr krank und ich wusste nicht, ob er hier alleine bleiben kann. Ich kam vor 22 Jahren aus Dortmund nach Sylt.

Interessieren Sie sich denn auch für das aktuelle Zeitgeschehen?
Politische Biografien interessieren mich. Ich bin politisch schon sehr interessiert, bis auf den heutigen Tag. Ich war sogar mal in der CDU. Aber da bin ich ausgetreten. Damals wurde unser Ministerpräsident in Schleswig-Holstein wegen Meineids angeklagt. Barschel hieß der…

…Das war 1987…
Ja. Ich habe damals gesagt, ich kann nicht in einer Partei sein, deren Ministerpräsident unter dem Verdacht steht, einen Meineid geleistet zu haben. Deshalb bin ich ausgetreten. Aber ich bin nach wie vor Anhänger der CDU.

Wenn ich ein kleines Stück in der Geschichte, auch in Ihrer Geschichte, nachforschen darf: Wenn Sie 1924 geboren sind, dann waren Sie im Jahr 1944 20 Jahre alt. Sie waren dann noch Soldat im Krieg…
…Ja, ich habe in einer schwierigen Zeit gelebt. Es war mal schön und mal weniger schön. Aber diese Zeit, als ich Soldat war, die hat mich geprägt.

Wo waren Sie im Krieg gewesen?
Ich muss Ihnen sagen: Ich hatte mein ganzes Leben lang immer Glück. Auch damals. Ich war zuerst Rekrut in Frankreich und dort im Küstenschutz. Von dort aus bin ich nach Italien gekommen. Dort bin ich dann bei Bari in Gefangenschaft geraten, am Heiligen Abend. Ich bin von Neuseeländern gefangen genommen worden. Als Gefangener kam ich dann nach Afrika, nach Algier, genau genommen. Später ging‘s dann nach England, nach Schottland und später nach Amerika, ich habe die amerikanische Ostküste von Texas bis Maine kennengelernt.

Wann sind Sie freigekommen?
1946. Ich kam mit dem Schiff zurück nach Europa. In Le Havre sind wir angekommen. Mit dem Zug ging‘s dann nach Saarbrücken, aber zwischendurch nochmal nach Frankreich. Und irgendwann war ich wieder zuhause. Ja, ich kann das nur nochmal wiederholen: Das Leben besteht immer aus Höhen und Tiefen, wie die Wellen der Nordsee. Die Höhen soll man wirklich genießen. Aber die Tiefen, die sollte man schnell vergessen.


Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 11.05.2024
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