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Gibt es einen Zusammenhang zwischen zwei Jahren Corona und mehr Alkoholmissbrauch auf Sylt?

Auf dem Weg nach mehr Struktur

Foto: Heiko Wiegand Lars Wittmeier und Antje Bergmann-Kupfer vor dem Beratungs- und Behandlungszentrum Sylt am Westerländer Kirchenweg.

Insel Sylt. Es sind nicht so sehr die gestiegenen Zahlen, die Lars Wittmeier in seinem Rückblick auf ein bewegtes Corona-Jahr 2021 beschäftigen. „Es sind unsere Klienten, die mehr Probleme hatten – und haben – als in früheren Jahren. Die Probleme bei vielen einzelnen Menschen, die wir betreut haben, sind größer geworden. Nicht unbedingt die Zahl der Klienten.“ Lars Wittmeier ist Diplom-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut und im Beratungs- und Behandlungszentrum Sylt (BBZ) gemeinsam mit Brigitte Umbreit zuständig für die Betreuung von Suchtkranken und deren Angehörigen. In diesem Gespräch geht es um die Frage, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Pandemie, die die Insel seit bald zwei Jahren in Atem hält, und einem veränderten, sprich: gestiegenen Konsum von Alkohol. „Viele Menschen, die bei uns nach Hilfe suchen, hatten vor Corona eine geregelte Struktur, einen klaren Tagesablauf. Sie lebten stabil. Corona hat vielen Menschen diese Stabilität, diese Struktur genommen – heute sind viele Betroffene ohne Arbeit und fragen sich, wie es weitergehen soll“, sagt der erfahrene Therapeut im Gespräch mit unserer Zeitung. Früher hätten viele oft sechs Tage in der Woche gearbeitet und entsprechend viele Sozialkontakte gehabt – „ohne Arbeit sind da nicht mehr viele Kontakte“. Lars Wittmeier und Antje Bergmann-Kupfer, die sich um das Thema Suchtprävention kümmert, sprechen übereinstimmend von 70 Prozent Beziehungsarbeit, wenn es zum Gespräch kommt. Da geht es um die Themen Schuldnerberatung und um die konkrete Hilfe bei Antragsformularen für Behörden. „Die Sucht liegt da oft nur ganz oben drauf auf vielen anderen Problemen“, erläutert Antje Bergmann-Kupfer. Vielen falle – in oft beengten Wohnverhältnissen – die Decke auf den Kopf, viele wollten raus aus unangenehmen Zuständen – sei es das beengte Wohnen oder die berufliche Perspektivlosigkeit oder der plötzliche, aus der Arbeitslosigkeit resultierende Geldmangel. „Und dann greifen viele Menschen eben zur Flasche, denn dadurch sind sie einen unangenehmen Zustand zunächst einmal los – wenn auch nur für kurze Zeit“, erläutert Antje Bergmann-Kupfer. Neulich, gibt Lars Wittmeier ein Beispiel, habe er einen Klienten bei sich im BBZ gehabt, der habe sein Konto um 2.000 Euro überzogen, nachdem er ständig bei Amazon eingekauft habe. „Der saß zu Hause und wusste nichts mit sich anzufangen. Er hat ständig gekauft – bis sein Konto gesperrt war.“ Das, so die beiden Mitarbeiter des BBZ, seien die typischen Probleme, die Corona bei vielen Menschen auf der Insel hinterlassen hat. Alkoholprobleme setzten sich dann oft noch oben drauf. Was können die Mitarbeiter des BBZ tun, um den Betroffenen wieder eine Perspektive zu geben, damit sie vom Alkohol wegkommen? „Wir möchten den Menschen wieder eine Struktur geben, die diese Menschen vor Corona hatten“, sagt Lars Wittmeier. Drei bis fünf helfende Gespräche im BBZ, verbunden mit einer festen Terminierung, sind oft der erste Schritt für ein neues Gerüst. „Und den Menschen Anerkennung geben, sie zu nehmen, wie sie sind. Beide Aspekte, die festen Termine und die Anerkennung, das gibt vielen schon den dringend benötigten Halt, die wichtige Struktur, die jetzt für viele so wichtig ist.“

Beides können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BBZ denen geben, die neben ihren Alkoholproblemen noch ganz andere Baustellen haben, die bearbeitet werden wollen. Wer kostenlose Hilfe haben möchte, wendet sich unter der Telefonnummer 04651 822 20 20 an das Beratungs- und Behandlungszentrum Sylt im Westerländer Kirchenweg 37. Oder geht – ganz ohne Termin – montags bis freitags zwischen 12 und 13 Uhr in die ebenso kostenlose offene Sprechstunde. Eine diskrete Beratung wird selbstverständlich zugesichert.


Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 28.12.2021
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