Sylter Landwirte demonstrieren gegen Kürzungen
Mit dem Rücken zur Wand
Foto: Nicole Lütke Jan Petersen, Landwirt und Mitorganisator der Demonstration in Westerland, erklärte die Anliegen und Forderungen der Bauern.Westerland. Aus der Ferne hört man lautes Hupen, das den Trecker-Tross ankündigt. Die großen Fahrzeuge bahnen sich am Montagvormittag ihren Weg zum Rathausplatz. Dort warten schon zahlreiche Landwirte, Unterstützer und Schaulustige, die ihre Handys zücken, um die Fahrt zu filmen und Fotos zu schießen – solch‘ eine Demonstration sieht man in Westerland schließlich nicht jeden Tag. Akkurat parken die 20 Trecker, dazu Schlepper sowie Lastwagen verschiedener Gartenbau- und Baufirmen ein, alles in allem nach Angaben der Polizei 110 Fahrzeuge. In ganz Deutschland sind Bauern aktuell für ihre Forderungen unterwegs. Für sie geht es um nichts mehr als um die Zukunft ihres Berufsstands.
Bauer Jan Petersen aus Morsum ist einer der Organisatoren der Demonstration.
Er versucht, den interessierten Zuhörern die Probleme der Landwirte verständlich zu machen und stellt zu Beginn klar: „Wir demonstrieren nicht für oder gegen eine Partei.“ Aus Sicht der Landwirte verursachen die Entscheidungen der Politik bei den Bauern eine Menge Probleme. Auf Transparenten ist jedoch klar zu lesen, gegen wen es geht: die Ampel-Regierung in Berlin. „Die Ampel ruiniert die Landwirtschaft“, steht auf einem geschrieben.
Der Morsumer Petersen beklagt in seiner Rede die Kostensteigerungen bei Dünger, Diesel und Ersatzteilen für Maschinen, die enormen Dokumentationspflichten und die Bürokratisierung. „Wir fordern eine Zukunftsperspektive für die bäuerliche Landwirtschaft“, sagt er. „Das Maß ist voll, wir können nicht mehr.“ Dafür erntet er viel Applaus. Viele Passanten teilen den Unmut der Demonstrierenden. „Warum muss man ausgerechnet bei den Bauern sparen? Die sorgen schließlich für unsere Nahrungsmittel“, sagt eine Passantin.
Die aktuellen Proteste entzünden sich an der sogenannten Agrardiesel-Subvention. Zur Zeit werden rund 47 Cent Steuern pro Liter Diesel fällig. Davon bekommen die Landwirte 21 Cent zurück. Die Steuerzahler kostet diese Unterstützung jedes Jahr laut laut Subventionsbericht des Bundes etwa 440 Millionen Euro.
Weil dem Bund Geld im Haushalt fehlt, sollte diese Agrardiesel-Subvention und die Befreiung von landwirtschaftlichen Geräten von der Kfz-Steuer gestrichen werden. Der Deutsche Bauernverband beklagt, dass die Landwirte ohne diese Subventionen auf dem Weltmarkt gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligt sind – ein Punkt, den auch Bauer Jan Petersen in seiner Rede vorbringt. „Der Weltmarkt diktiert die Preise für unsere Produkte.“ Die landwirtschaftlichen Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand, sagt er – und immer mehr geben auf. Jeden Tag sind es laut Petersen zehn Betriebe bundesweit.
„Uns fehlt eine klare Vision, was die Regierung in Zukunft von der Landwirtschaft erwartet“, sagt er.
Der Verein Sylter Unternehmer solidarisiert sich mit den Protestierenden: „Es scheint absehbar, dass sich die Verteuerungen in der Folge auch auf andere Branchen auswirken werden“, heißt es in einer Mitteilung der Sylter Unternehmer.
Die Bundesregierung hat angekündigt, die Befreiung für landwirtschaftliche Geräte von der Kfz-Steuer beizubehalten.
Die Agrardiesel-Subvention wird schrittweise bis 2026 gekürzt.
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Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 10.01.2024