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Eine Silvestergeschichte von Bettina Dethloff

Ein tierischer Jahresrückblick

Foto: Bettina Dethloff Marie, das einzige tierische Familienmitglied im Hause - so soll es auch bleiben.

Als das Jahr begann, besaßen wir ein echtes Haustier, unsere Hündin Marie, sowie fünf Wachteln im Garten. Der braune Hahn vertrug sich nur mit einer der Damen, was zu einigem Zickenalarm führte. Es wurde an- und umgebaut, so dass sie ihr Leben leben konnten, ohne dass wir erneut zum Tierarzt mussten. Dort hatte mich eine Frau gefragt: „Was habt ihr denn da im Karton?“ Auf meine Antwort hin erklärte sie: „Ach ja, man rettet, was man kann, oder?“
Einige Monate später entdeckte ich hin und wieder eine Motte an der Wand. Einzeln nur und leicht einzufangen, doch es hörte nicht auf. Ich machte mich auf die Suche und identifizierte als deren Geburtsstätte eine Packung Haferflocken. Leider zu spät. Von mir unbemerkt, hatte sich das Volk schon vergrößert. Mit wehem Herzen kamen viele Lebensmittel in den Müll und alle Küchenutensilien rigoros in den Geschirrspüler oder in die Spüle. Auch die Schubladen und Schränke wurden gründlichst gereinigt. Bis 3 Uhr nachts war ich damit beschäftigt. So aufgeräumt wie in den folgenden Wochen waren meine Schränke allein beim Einzug gewesen.
Apropos Einzug, als ich vor dem Schlafengehen und nach Einfangen zweier Spinnen im Keller ein gekipptes Fenster schließen wollte, fiel direkt neben meinem Kopf etwas Lebendiges laut kreischend in den Heizraum. Nach einem zweisekündigem Blackout ging ich rückwärts hinaus, schloss die Tür und verbarrikadierte den Spalt unten mit einer Fußmatte. Für eine Maus war der Eindringling zu groß, mehr konnte ich zur Identifikation nicht beitragen. „Also, ich würde ja ausziehen“, erklärte eine junge Kollegin am nächsten Tag. „Quatsch“, sagte die andere. „Bevor das Tier dich anspringt, würdest du es doch rascheln hören.“
Ein befreundeter Jäger brachte eine Lebendfalle. Da mein hoffendes Unterbewusstsein glaubte, einen buschigen Schwanz wahrgenommen zu haben, tippte der Jäger auf ein Mauswiesel. Wir sollten Trinkwasser hinstellen, das Tierchen sollte ja nicht verdursten. Der ungebetene Besucher holte sich die Hundeleckerchen aus der Falle, entwischte aber jedesmal. Der Jäger besorgte eine kleinere Falle. Dasselbe Spiel. Wir stellten eine Mausefalle auf, aber die war dann wohl doch zu klein. Ein ausgelegtes Leckerchen zeigte, das Tier war noch da, also gab es auch frisches Trinken.
Erst Falle Nummer Vier funktionierte. Der Zechpreller hatte keinen buschigen Schwanz, war aber größer als eine Maus. Nun gut, jedenfalls waren wir das Tier endlich los. Ich war sehr erleichtert. Dieser Zustand währte nicht lang, denn vereinzelt wünschten mir erneut Motten einen guten Tag. Ich fing sie wieder problemlos mit einem Becher ein, dennoch hatten meine Hände so viel Kontakt mit Seife und Wasser wie nicht mal in Hochzeiten der Pandemie. „Du brauchst Schlupfwespen“, erklärte mein Sohn. „Die fressen die Motteneier, welche irgendwo in einer Schrankritze sind, und zerfallen anschließend zu Staub.“ „Und wenn ich meine Walnüsse esse, esse ich die Wespen mit?“, fragte ich entsetzt. „Das wäre nicht schlimm, ist ja Protein“, fuhr er ungerührt fort. „Aber die haben null Interesse an Lebensmitteln, sie essen Motteneier und sonst nichts.“
Also gut… Die winzig kleinen Schlupfwespen befinden sich unsichtbar auf nichtssagenden Kärtchen in Scheckkartengröße. Als sie ankamen, erklärte mein Sohn, ich solle sie vorsichtig und umgehend in die Schränke stellen, damit den Mikro-Insekten nichts passiert. Klar, dachte ich. Ich stelle ja auch „Raubtieren“ frisches Wasser in den Heizraum. Bald standen also drei Kärtchen mit je 3.000 Schlupfwespen in den Schränken. Da habe ich mich in Punkto Tierbestand doch nun selbst übertroffen, oder? Die Mikro-Insekten erledigen ihren Job offensichtlich gut. Trotzdem – im neuen Jahr soll es ruhiger laufen. Den geliebten Hund neben dem Schreibtisch möchte ich natürlich nicht missen. Doch egal welcher Art: Weitere Tiere ziehen hier erstmal nicht ein. Ich frag mich allerdings, ob die Möwen auf dem Nachbardach mehr wissen als ich. Sie kreischen gerade vor Lachen…


Geschrieben von: Bettina Dethloff / veröffentlicht am: 27.12.2023
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