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Zu Besuch bei der Sylter Tafel

Ein Stück Würde behalten

Foto: Nicole Lütke Das Team der Sylter Tafel engagiert sich aus vollem Herzen für die Menschen, die auf ihre Unterstützung angewiesen sind.

Westerland. Vor dem Haus am Geschwister-Scholl-Weg steht schon vor 10 Uhr eine längere Schlange, am Ende werden es rund 80 Menschen sein – Junge Senioren, Frauen und Männer mit Kindern. Es ist Dienstagmorgen, die Sylter Tafel hat geöffnet. In der Ausgabestelle wuseln die ehrenamtlichen Mitarbeiter flink herum. Die letzten Handgriffe werden erledigt, bevor die Verteilung losgeht. Auf den Tischen sind die gespendeten Lebensmittel aufgebaut. Heute gibt es unter anderem Nudeln, Apfel- und Orangensaft, ein paar Süßigkeiten, Linsen und Bohnen in der Dose sowie Brot. In grünen Kisten sammelt sich Obst und Gemüse, das einem kritischen Blick unterzogen wird: Sind die Sachen noch gut? Was muss entsorgt werden?
Die Lebensmittel sind Spenden von Supermärkten, Bäckereien oder auch Großhändlern. Gäbe es die Tafel nicht, würden die Produkte in der Tonne landen.

Das Obst und Gemüse hat kleine Schönheitsfehler. Andere Waren sind kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Hier finden diese Lebensmittel dankbare Abnehmer.
Dörte Lindner-Schmidt ist so etwas wie die Leiterin der Tafel, obwohl sie das gar nicht gerne hört. Zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern, Peter Nicken, Brigitte Umbreit, H.Wilhelm Hansen und Margret Zywina, bildet sie den Vorstand des Vereins. „Einer muss zwar den Hut aufhaben, aber ohne meine fleißigen Helfer würde hier nichts laufen“, sagt sie bestimmt. Die Ehrenamtlichen sind ein eingespieltes Team. Einige sind seit Jahrzehnten dabei. „Ich helfe bei der Tafel seit 2010. Damals wurde ich pensioniert, wollte aber aktiv bleiben und etwas Ehrenamtliches machen. Ich schätze die Kontakte, die man hier hat“, erklärt ein 77-Jähriger seine Motivation. Die Tafel ist für ihn nicht nur ein Treffpunkt für die Kunden, sondern auch die Ehrenamtlichen.

Die 25 Helfer sind allesamt mit Herzblut dabei. Rolf ist mit dem Transporter unterwegs zu den Geschäften. Das Fahrzeug wird von einem Sylter Autohaus bereitgestellt – unentgeltlich. Aktuell landen weniger Waren als sonst im Kofferraum. „Es ist schon zu merken, dass die Läden anders kalkulieren und nicht mehr so viele Waren bestellen“, erklären die Mitarbeiter. Frei nach dem Motto der Tafeln „Jeder gibt, was er kann“, ist die Tafeln den Firmen auf der Insel enorm dankbar. „Wir haben einen guten Draht zu den Geschäftsleuten und ihren Mitarbeitern“, sagt Dörte Lindner-Schmidt. Dazu gibt es noch private Spender, die einfach das geben, was sie können. Ein Mann hat 100 Pakete Nudeln gekauft, andere spenden Geld. Dass die Tafel ein passendes Gebäude für die Verteilung gefunden hat, ist der Unterstützung der Gemeinde Sylt und des Kommunalen Liegenschafts-Management (KLM) zu verdanken, wie die Leiterin betont. Die Sylter Tafel sei insgesamt von Wirtschaft, Politik und Verwaltung sehr akzeptiert.

Um 10 Uhr werden die Türen der Tafel geöffnet. Die Organisation ist denkbar einfach: Die Kunden ziehen eine Nummer. Es gibt keine Kontrollen, ob eine Bedürftigkeit vorliegt. Manchen Menschen sieht man ihre schlechte wirtschaftliche Situation an, andere haben extra ihre beste Kleidung aus besseren Zeiten angezogen. „Das ist oftmals das kleine bisschen Würde, das sich diese Menschen erhalten wollen“, weiß Lindner-Schmidt. „Sie möchten nicht bedürftig aussehen.“

Die Über-80-Jährigen dürfen zuerst an die Tische, das haben sie so vereinbart. Manchen mag es überraschen, dass es auf der „Insel der Reichen und Schönen“ überhaupt eine Tafel gibt. Doch auch hier gibt es Bedürftige, die mehr schlecht als recht durchs Leben kommen. „Vor einem halben Jahr hatten wir rund 30 Kunden, jetzt sind es regelmäßig um die 80. Hier gibt es nicht nur Porsche-Fahrer, sondern auch Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen.“ Die meisten sind unverschuldet in eine Notlage geraten: Alleinerziehende, geflüchtete Menschen sowie Obdachlose, die verteilt auf der Insel leben oder Senioren, die zwar ein Leben lang gearbeitet haben, aber deren Rente trotzdem nicht reicht. Und gerade von diesen werden es immer mehr – in ganz Deutschland, nicht nur auf Sylt.

Die Verteilung läuft sehr ruhig ab. Einzeln treten die Kunden an die Tische heran und zeigen auf das Produkt, das in die mitgebrachte Tasche wandern soll. Ein bisschen Smalltalk nebenbei. Die Kunden werden absolut gleichbehandelt, alles läuft sehr respektvoll. Die Tafel ist im Vergleich zu anderen Städten und Gemeinden eher klein, man kennt sich. Früher trafen sich Kunden und Mitarbeiter zu Kaffee und Kuchen, das ist heute schwieriger, weil die Anzahl der Hilfsbedürftigen gestiegen ist.
Wie notwendig es ist, die Tafeln zu unterstützen, hat auch das Land Schleswig-Holstein erkannt. Es hat ein Sofortprogramm zur finanziellen Unterstützung der Tafeln gestartet. Bis Ende 2022 werden 500.000 Euro bereitgestellt, um das Angebot der Tafeln wegen der steigenden Nachfrage zu unterstützen. Hintergrund sind die stark gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise sowie die Folgen des Krieges in der Ukraine.


Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 02.08.2022
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