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Seemannsdiakonin Silvie Boyd erzählt über ihre Arbeit in Le Havre

Die unsichtbaren Helden

Foto: Silvie Boyd Seemannsdiakonin Silvie Boyd besucht die Crews auf den Schiffen, die in Le Havre in Nordfrankreich vor Anker gehen.

Le Havre/Westerland. Sie leben und arbeiten in den Bäuchen der großen Container-Schiffe, die auf den Seerouten unterwegs sind. Meist sind es rund 20 Menschen, hauptsächlich aus Asien, die es auf die Schiffe verschlagen hat. Sie kommen beispielsweise aus Indien, den Philippinen oder Sri Lanka. Ihr Zuhause ist ein eng begrenzter Raum, viele Stunden am Tag schuften sie dort. Diese Menschen sorgen dafür, dass uns Produkte aus der ganzen Welt erreichen – 90 Prozent der Waren und Güter werden mit Schiffen transportiert. Sie sind die unsichtbaren Helden, ohne die der weltweite Warenverkehr nicht funktioniert. So hätte es unter dem Weihnachtsbaum ziemlich leer ausgesehen, wenn es die Seeleute nicht gäbe. Sie bringen die neuen Turnschuhe, die Playstation, das Mobiltelefon und andere Waren, die wir täglich bestellen. Was das für die Arbeiter auf See bedeutet? Sie sind neun bis elf Monate im Jahr unterwegs. Ihre Familien und Freunde sehen sie an Heiligabend nur selten. „Seit 23 Jahren arbeite ich auf See. In dieser Zeit war ich nur drei Mal an Weihnachten zuhause“, erzählt ein Officer, der auf einem der Transportschiffe arbeitet. Silvie Boyd ist seit 2020 Seemannsdiakonin in der französischen Hafenstadt Le Havre. Sie und ihre Kollegen kümmern sich um die Seeleute, die im Hafen Station machen. Bis zu fünf Crews besucht die Diakonin am Tag und das von montags bis samstags – außer Mittwoch, das ist ihr Bürotag. „Ich bin zwei bis drei Stunden auf den Schiffen unterwegs und spreche mit den Arbeitern dort“, berichtet sie über ihre Arbeit. Dabei ist sie Herz und Ohr, das heißt, sie hört in erster Linie zu, was die Menschen ihr erzählen möchten. „Manchmal sind es sehr bewegende Geschichten, beispielsweise, wenn jemand eine krebskranke Frau zu Hause hat.“ Für Menschen aus der Ukraine sind es vor allem Sorgen um Familie und Freunde, die ihnen auf der Seele liegen. Eine große Hilfe, Kontakt zu den Menschen auf den Schiffen zu bekommen, ist Fluffy: ein vierjähriger zotteliger Terrier-Mischling. Fluffy hat einen wichtigen Job: Er ist der Eisbrecher. „Für viele Seeleute ist es einfach nur schön, den Hund zu knuddeln. Da kommen viele Emotionen hoch.“
Um den Seeleuten eine weihnachtliche Freude zu machen, verteilt Silvie an Bord kleine Geschenke wie Schokolade oder einen weihnachtlichen Anhänger. Bei einem ihrer vergangenen Besuche an Bord wurden gemeinsam Weihnachtslieder gesungen. „Die Seeleute haben aus voller Kehle mitgesungen und hatten ihren Spaß.“

Auch wenn die Seemannsdiakonin im Auftrag der evangelischen Kirche arbeitet, geht es bei den Gesprächen nicht vordergründig um Glauben oder Gott. „Wenn jemand ein Gebet sprechen möchte, dann machen wir das natürlich, aber in erster Linie sind wir Seelsorger. Wir hören zu oder helfen auch ganz praktisch.“ So macht die Diakonin zum Beispiel Ausflüge in die Umgebung von Le Havre oder bringt die Seeleute zum Einkaufen in die Stadt oder zum Frisör. Und sie hört die Geschichten über die schweren Arbeitsbedingungen an Bord. Von Non-Stop-Einsätzen ohne einen freien Tag, Überstunden oder Fällen, bei denen Arbeitsverträge vier Mal verlängert wurden – das Gesetz verbietet ein solches Vorgehen eigentlich. „Die Arbeiter sind auf die Jobs angewiesen, um ihre Familien zu unterstützen.“ Doch es ist schwierig, die Arbeitsbedingungen an Bord zu ändern, obwohl sich die Gewerkschaft ITF, die Internationale Transportarbeiter-Föderation, für die Rechte der Seeleute an Bord einsetzt.

Silvie Boyd ist aus vollem Herzen Seemannsdiakonin. Ihr Engagement sowie das ihrer Kollegen und Kolleginnen wurzelt in ihrem Glauben. Er ist ihr Antrieb, etwas Gutes für den Nächsten zu tun. Der Glaube trägt sie, für die Menschen auf den Schiffen da zu sein – für die unsichtbaren Helden.


Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 10.01.2023
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