Wo lauern Gefahren für Sylt? Im Gespräch mit dem Geologen Dr. Ekkehard Klatt
Der Sturm kommt vor dem Wasser
Foto: Sylt ConnectedInsel Sylt. Wer schon einmal das Glück hatte, Sylt aus der Vogelperspektive betrachten zu dürfen, dem wird nicht nur aufgefallen sein, wie schön die Insel vor dem nordfriesischen Festland liegt. Wer genauer hinschaut, wird zudem feststellen, dass die Insel nicht als erhabener Fels aus dem Meer ragt, sondern, dass sich Salzwasser und Strand quasi auf Augenhöhe begegnen. Erst mit den Dünen gewinnt die Insel etwas an Höhe und bietet dem dahinterliegenden Land den Schutz, den es braucht, damit Insulaner und Gäste ihr Leben auf Sylt so führen können, wie sie es aktuell tun.
Aber so, wie es jetzt ist, wird es nicht bleiben. Spätestens seit das Thema Klimaschutz und Klimawandel prominent auf der Agenda der Weltpolitik verankert ist, wird auch wieder darüber diskutiert, wie sich der Spiegel der Meere entwickelt. Damit rückt weltweit auch das Schicksal zahlreicher Inselparadiese in den Mittelpunkt der Diskussion – in Deutschland sind dies natürlich die nord- und ostfriesischen Inseln – und speziell Sylt. Geologisch betrachtet befinden wir uns in einer Nacheiszeit, die vor rund 12.000 Jahren einsetzte, als die Gletscher zu schmelzen begannen und der Meeresspiegel als Reaktion darauf stark und schnell anstieg. Je weniger Gletschereis vorhanden war, desto langsamer entwickelte sich der Anstieg des Meeresspiegels. „In den letzten 100 bis 150 Jahren waren es rund 20 Zentimeter“, erklärt der Sylter Geologe Dr. Ekkehard Klatt und bezieht sich dabei auf die Zahlen des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH).
Derzeit geht die Wissenschaft von einem jährlichen Anstieg in Höhe von rund 3,5 Millimetern aus. Damit hat der Anstieg zwar wieder an Fahrt aufgenommen, „aber der Anstieg ist nicht exponentiell“, so der Geologe. „Ein Anstieg um mehr als 50 Zentimeter bis zum Jahr 2100 ist daher seriös nicht vorhersagbar.“
Das ist natürlich immer noch ein besorgniserregender Befund. Und die weltweiten Anstrengungen, um dieser Entwicklung entgegenzutreten, sind mehr als berechtigt. Schlagzeilen wie „Sylt versinkt“ oder „Die Insel geht unter“, wie sie regelmäßig gerade in überregionalen Medien zu lesen sind, entbehren aus Sicht des Geologen allerdings jeder Grundlage. Zumindest mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte.
Die absehbare Gefahr für die Insel ist also nicht das Meer, aber sie kommt aus der gleichen Richtung: Denn das Wasser steigt nicht nur, es wird auch wärmer und liefert so Energie für immer häufiger auftretendes Extremwetter – gerade die Nordsee ist dafür prädestiniert, denn ihre Temperatur steigt deutlich schneller an als die anderer Meere. Für Sylt bedeutet dies, dass Stürme häufiger auftreten werden und dass sie zudem länger anhalten werden. Auch Dr. Klatt ist sich sicher: „Die Orkanfluten sind das, was für die Insel gefährlich wird.“
Geschrieben von: Sylt Connected / veröffentlicht am: 13.01.2022