Pianistin Jasmin Böttger spielte im „Odin“
Der Flügel der Kindheit
Foto: oh Jasmin Böttger und Jo Bohnsack (re.) gaben ein Konzert, bei dem die Pianistin zufällig auf dem Flügel spielte, den sie als Vierjährige zum Geburtstag von ihren Eltern bekam. Das Instrument hat im „Odin“ ein neues Zuhause gefunden, worüber sich auch Gastgeber Jörn Steffen freut.Kampen. Das erste Instrument, das man spielt, vergisst man nicht – ob es nun die obligatorische Blockflöte im Schulunterricht, die Gitarre
in der Big Band oder die Querflöte im Spielmannzug war. Die liebgewonnenen Erinnerungen, die mit dem Instrument verbunden sind, bleiben ein Leben lang. Viele
Menschen verwahren ihre erste Gitarre, obwohl sie gar nicht mehr spielen können. Bei anderen zieht das alte Klavier bei jedem Ortswechsel mit, auch wenn die Kinder längst erwachsen sind und nicht mehr regelmäßig darauf spielen.
Sie hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht: Jasmin Böttger ist Pianistin und Klavierpädagogin. Sie lebt in Hamburg, hat aber tiefe Wurzeln in Kampen – noch dazu ist sie Ehrenbürgerin des Inselortes.
Jörn Steffen und Sigrid Rothbart, Gastgeber des Restaurants „Odin“, entwickelten die Idee, drei spezielle Events nach Kampen zu bringen – das Jazz-Festival 2023 war geboren. Namhafte Künstler präsentieren gemeinsam gefühlvollen Jazz und Blues, der mit anderen Musikstilen wie Klassik oder Boogie Woogie kombiniert wird. Zur ersten Session spielten Jasmin Böttger und Jo Bohnsack vor ausverkauftem Haus. Für die Pianisten war es ein echtes „Heimspiel“, bei dem sie neben klassischen Stücken auch Eigenkompositionen am Flügel präsentierte. Doch nicht die musikalische Extraklasse der beiden Künstler war das bewegende Thema des Abends … es war der Flügel, ein echter Blüthner aus Leipzig, der über zufällige Umwege den Weg nach Kampen fand.
„Wir brauchen einen Flügel!“ Das stellte Jörn Steffen vom „Odin“ vor dem geplanten Konzert mit Schrecken fest. Das Kaamp-Hüs war verwaist, ein Flügel nicht vor Ort. Auch Nachfragen bei Freunden und Bekannten brachte kein Ergebnis – das gewünschte Instrument war nicht aufzutreiben. Ausleihen erschien zu teuer.
Da hilft nur, wie so oft – der Zufall. Eine Freundin von Jasmin Böttger aus Hamburg meldete sich, sie müsse aus persönlichen Gründen ihren Blüthner-Flügel verkaufen, ob nicht jemand Bedarf hätte. Jörn Steffen war interessiert und holte den Flügel nach Kampen.
Das pechschwarze Instrument wurde von der Firma Blüthner gebaut. Das Traditionsunternehmen stellt seit 1853 Pianos und Flügel her. „Ich werde neue Fortepianos und Flügel deutscher und englischer Construction anfertigen und dann verkaufen“, sagte Gründer Julius Blüthner. Seine technisch wie musikalisch hervorragenden Instrumente wurden auch von Persönlichkeiten der klassischen Musik wie Brahms, Liszt, Mahler, Rachmaninow und Tschaikowski gespielt.
Ein Flügel der sächsischen Firma wurde an eine Vierjährige verschenkt: an Jasmin Böttger, die ihn zum Geburtstag von ihren Eltern bekam. Das Instrument wanderte weiter, bis er schließlich bei besagter Freundin in Hamburg landete. Die Überraschung war riesengroß, dass der Flügel – durch einen glücklichen Zufall – wieder zur Pianistin Jasmin Böttger zurückkam, die im Alter von vier Jahren das erste Mal auf ihm gespielt hatte. Mit vielen wehmütigen Erinnerungen entlockte sie dem alten Instrument wunderschöne Stücke und Melodien an diesem Konzertabend im „Odin“. Dort hat der Flügel nun ein neues Zuhause gefunden.
Geschrieben von: Nicole Lütke / veröffentlicht am: 05.09.2023