Mehr Bewerber für freie Stellen – Trendwende macht sich auch auf Sylt bemerkbar
Bewerben in Corona-Zeiten
Foto: Sylt Connected Sepp Reisenberger vom „S-Point Sylt“ stellt schon jetzt sein Team für den nächsten Sommer zusammen.Insel Sylt.(pas) Maske im Gesicht, offene Fenster und so viel Distanz, wie das Büro eben zulässt: Nicht eben die besten Voraussetzungen für ein überzeugendes Bewerbungsgespräch. Diese Erfahrung machte auch eine Sylterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: „Besonders, weil durch die Mund-Nase-Bedeckung die gesamte Mimik verdeckt wird, die einen Großteil der zwischenmenschlichen Sympathie transportiert.“ Ihre alte Teilzeitstelle im Büro musste coronabedingt dem Rotstift zum Opfer fallen. Etwas Neues zu finden, ist in diesen Zeiten eine Herausforderung: „Es gibt deutlich weniger Stellenangebote als vor der Corona-Pandemie“, stellte sie fest. Glücklicherweise ist Sylt das sprichwörtliche Dorf, in dem sich offene Stellenangebote durch Mund-Zu-Mund-Propaganda verbreiten – mit gebührendem Abstand, versteht sich. Und kommt es zum Bewerbungsgespräch, kenne man sich oft bereits, ergänzte die Sylterin, „so dass sich das Bewerbungsgespräch nur noch um die fachliche Qualifikation drehen muss – dabei stört die Maske nicht.“
Trotz erneuter Verlängerung des Lockdowns kommt gerade in der coronagebeutelten Gastronomiebranche derzeit Leben in den Arbeitsmarkt: Immer mehr Restaurants machen sich auf die Suche nach Servicekräften und Köchen für die kommende Saison. Unter ihnen Sepp Reisenberger vom S-Point Sylt: „Ich kann nicht erst dann einen Koch suchen, wenn ich weiß, wann es wieder losgeht“, sagte er. Und weiter: „Wenn der Startschuss fällt, muss ich vorbereitet sein.“ Dass das Team bis dahin steht, bezweifelt er aber nicht: Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, das in den vergangenen Jahren deutlich zugunsten der Bewerber ausfiel, ist durch Corona offensichtlich ins Wanken geraten. „Ich habe in diesem Jahr viel mehr Bewerbungen als sonst auf dem Tisch liegen, aus denen ich auswählen kann.“ Die fachliche Vorauswahl trifft er dann im Homeoffice, „so dass wir uns beim persönlichen Gespräch mit Maske und Abstand voll und ganz darauf konzentrieren können, ob es zwischenmenschlich passt.“
An der Zahl der Bewerbungen haben auch Holger und Stefan Wolf, Betreiber der Hundefachgeschäfte „Quartier3neun“ und „Pet Shop Boyz“ mit Filialen in Hamburg, Münster und auf Sylt, nichts auszusetzen – allein die Qualität stimme oft nicht. „Wir sind in der glücklichen Verfassung, dass die Arbeit bei uns durch Corona noch zugenommen hat“, berichtete Holger Wolf. „Immer mehr Menschen fühlen sich durch den Lockdown einsam und schaffen sich einen Hund an.“ Proportional dazu wächst auch der Personalbedarf der Ladenkette. „Vieles von dem, was uns auf die Stellenausschreibungen hin zugeschickt wird, kann man allerdings leider nur mit viel Wohlwollen als Bewerbung bezeichnen.“
Wer derzeit auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz geht, sollte sich also mehr Gedanken um sein Bewerbungsschreiben machen als um die Maske beim Bewerbungsgespräch, denn nicht zuletzt am Arbeitsmarkt hat Corona deutliche Spuren hinterlassen.
/ veröffentlicht am: 22.01.2021